"Ich habe an die friedliche syrische Bürgerbewegung geglaubt und ich selbst bin ein friedlicher Aktivist und Verteidiger der Rechte sozialer Minderheiten. Als die Krise in Syrien im Jahr 2011 begann, sympathisierte ich mit den friedlichen syrischen Demonstranten und ihren Forderungen nach Freiheit und nach Beendigung aller Arten der Korruption und politischer und sozialer Tyrannei
"Wir haben aber bald feststellen müssen, dass die repressive syrische Regierung nicht mit den Massen von friedlichen Demonstranten und ihrem Bedürfnis nach Aussprache und Dialog umgehen kann, sondern sich dafür entscheidet, Repressionen und exzessive Gewalt gegen sie einzusetzen.
"Wegen meines Engagements für die syrische Revolution in der Anfangszeit war ich mit Problemen und Gefahren konfrontiert, die schließlich zur Festnahme meines Freundes Shirko * durch die syrischen Sicherheitskräfte führten.
Knapp einen Monat später wurde auch ich festgenommen. Wir wurden während der Haft von Mitgliedern der Sicherheitskräfte gefoltert und vergewaltigt.
"Ich wurde als erstes entlassen, dann Shirko, nachdem er fast ein halbes Jahr lang in Haft war. Wir haben uns dann zur Flucht entschieden, da wir beide erneute Festnahmen befürchteten, wenn wir bleiben würden.
"Während wir uns noch in Syrien aufhielten passierten Dinge, die mich noch heute belasten.
Ich erinnere mich an diese schrecklichen Wochen in Deir el-Zor und ich erlebte die humanitäre Lage, als die Sicherheitskräfte und die syrische Armee die Stadt angriffen. Es wurde systematisch bombardiert und zerstört. Ich kann immer noch den Tod riechen und höre die Geräusche der Frauen und Kinder auf der Flucht vor dem Bombardement und vor dem Tod.
"Später konnte ich die heimgesuchte Stadt verlassen und mir gelang die Flucht in die Stadt Qamishli, wo ich Shirko, der kurdischer Herkunft ist, wieder treffen konnte. Wir gingen in den Libanon, um ein neues Leben zu beginnen, aber dort hatten wir viele Probleme, da alle Ebenen der Gesellschaft dem syrischen Volk mit Abneigung und Misstrauen gegenüber stehen.
"Mein Freund Shirko und ich litten doppelt aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten im Libanon und wir hatten Schwierigkeiten einen Arbeitsplatz zu finden, da wir Syrer sind und da wir homosexuell sind. Unsere Homosexualität hat unsere Probleme erhöht und verstärkte die Belästigungen im Libanon. Zurückblickend muss ich sagen, dass wir einige unserer schlimmsten Momente im Libanon hatten, bevor wir vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR registriert waren.
"Wir mussten lange Zeit auf die UNHCR Papiere warten, mit denen wir das Recht bekamen, im Libanon bleiben zu dürfen. Dann wurden wir für eine Neuansiedlung in den Niederlanden angenommen. Aber immer noch warteten wir. Wir haben dann schließlich im Libanon fast 14 Monate verbracht. Die ganze Zeit warteten wir darauf, das Land verlassen zu können, um unsere Reise in ein neues Leben zu beginnen.
"Ich erinnere mich noch an die letzten Stunden vor unserem Flug nach Istanbul und dann nach Amsterdam. Wir weinten viel. Wir waren glücklich und traurig zugleich, und wir waren in diesem Moment sehr emotional. Auch heute noch, wenn ich diese Worte schreibe, kann ich immer noch nicht glauben, dass Shirko und ich seit einem Jahr und ein paar Monaten in den Niederlanden sind.
"Ich kann nicht leugnen, dass sich mein Leben seit dem Moment unserer Ankunft hier sehr verändert hat, vor allem, in Bezug auf unsere Homosexualität. Unsere Präsenz in einem Land wie diesem, im dem die Rechte Homosexueller respektiert werden, ist für mich sehr wichtig. Doch trotz dieser positiven und emotionalen Entwicklung, nicht zuletzt im Hinblick auf die Sicherheit und Stabilität, verfolgen uns der Fluch des syrischen Krieges und die schrecklichen Erfahrungen, die ich und mein Freund im Gefängnis machen mussten.
"Ich habe immer wieder die gleichen hässlichen Alpträume mit den Gesichtern der Sicherheitskräfte, die mich vergewaltigten. Das ist unser größtes Problem hier in den Niederlanden: wir spüren die Auswirkungen der furchtbaren Ereignisse, und die schmerzhaften schrecklichen Erinnerungen quälen uns immer noch.
"Mich plagt auch ein schlechtes Gewissen, weil ich noch lebe, während so viele meiner Freunde und Verwandten ihr Leben in Syrien verloren haben. Die Tatsache, dass ich ein normales Leben in den Niederlanden ohne Bombardierungen, Minenwerfer und Explosionen führen kann, verstärkt diese Gefühle, die mir mein Gewissen vorwirft. Ich kann essen und trinken, während Tausende Syrer in Hunger, Armut und Obdachlosigkeit in den Flüchtlingslagern in den Nachbarländern Syriens leben. Meine Familie lebt immer noch in Syrien und das verschlimmert meine Angst für sie und ihr Wohlbefinden.
"Ich fühle, dass eine Hälfte von mir hier in den Niederlanden lebt und die andere Hälfte meines Körpers und meiner Seele ist in Syrien bei meiner Familie, meinen Freunden, Verwandten und bei den Tausenden von Hungernden und Obdachlosen in Syrien und den Flüchtlingen in den Nachbarländern.
* Name wurde geändert.
Amnesty International's #OpenToSyria Kampagne drängt die reichsten Länder der Erde, sich für die gefährdeten Flüchtlinge zu öffnen- weitere Informationen finden Sie hier