Amnesty International – Public Statement
Index: ASA 21/2726/2015
23. Oktober 2015
Das Gesetz kriminalisiert einvernehmliche sexuelle Kontakte und dehnt den Gebrauch von Auspeitschungen als Strafe aus. Diese Bestimmungen stellen einen klaren Verstoß gegen die indonesische Verfassung dar und verletzen internationale Menschenrechtsvereinbarungen, welchen sich Indonesien verpflichtet hat. Unsere Organisationen fordern eine umgehende Überprüfung oder Widerrufung aller Bestimmungen, die Menschenrechte verletzen.
Die neue Bestimmung führt unter anderem kriminelle Vergehen ein, die mit einvernehmlicher Intimität oder sexueller Aktivität von unverheirateten Paaren, einvernehmlichen sexuellen Kontakten außerhalb der Ehe und gleichgeschlechtlichen sexuellen Beziehungen verbunden sind.
Gesetze, die einvernehmliche sexuelle Aktivitäten kriminalisieren, verstoßen gegen internationale Menschenrechtsstandards. Das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen und andere professionelle Menschenrechtsinstitutionen sind besorgt über Gesetze, die 'Ehebruch' oder andere einvernehmliche sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe kriminalisieren, da sie das Recht auf Privatheit verletzen. Gesetze in Bezug auf 'Ehebruch' sind diskriminierend und haben unverhältnismäßige Folgen für Frauen. Soziale Erwartungen in Bezug auf das 'angemessene' Verhalten von Frauen und diskriminierende Haltungen, die darauf abzielen, die Sexualität von Frauen zu kontrollieren, haben zur Folgen, dass es für Frauen und Mädchen wahrscheinlicher ist, Haft und Verfolgung für die sogenannten 'Verbrechen' zu erleiden.
Die neue Bestimmung führt zudem Strafen für falsche Beschuldigungen in Bezug auf ikhtilath (der Intimität zwischen unverheirateten Paaren) ein, ebenso wie für falsche Beschuldigungen in Bezug auf Vergewaltigung. Dies jedoch schafft erhebliche Hürden für Frauen und Mädchen, Vergewaltigungen oder andere Formen der sexuellen Gewalt anzuzeigen. Die Vergehen der Vergewaltigung (perkosaan) und des sexuellen Missbrauchs (pelecehan seksual) sind im Islamischen Strafgesetz von Aceh inbegriffen, obwohl diese Vergehen bereits durch die nationalen Gesetze als Verbrechen bestimmt sind.
Unsere Organisationen sind besorgt, da die Definition dieser Verbrechen und ihre Untersuchung und Verfolgung nicht im Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards sind. Diese Standards fordern von den Staaten, alle Formen von Gewalt gegen Frauen, einschließlich sexueller Gewalt, zu unterbinden, zu verfolgen und zu bestrafen. Die Bestimmung von Verbrechen sexueller Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt in der Ehe, sollte auf dem Verständnis basieren, dass solche Taten Verletzungen der physischen und psychischen Integrität der Opfer darstellen, im Gegensatz zum Verständnis dieser Taten als Vergehen gegen die Moral. Das Gesetz sollte Strafen für diese Verbrechen vorsehen, die verhältnismäßig, effektiv und abschreckend sind.
Die Bestimmung führt zudem das Vergehen 'Ehebruch mit einem Kind' ein. Dies ist besonders problematisch, da dadurch sexuelle Gewalt gegen Kinder potentiell als einvernehmlicher Sex außerhalb der Ehe oder Ehebruch gewertet wird. Das neue Gesetz wird dadurch nicht adäquat der Verpflichtung Indonesiens gerecht, Kinder besonders vor sexueller Ausbeutung und Gewalt zu schützen.
Unsere Organisationen sind zudem darüber besorgt, dass das Islamische Strafgesetz von Aceh den Umfang der Vergehen ausgeweitet hat, für die Auspeitschungen verhängt werden können. In einigen Fällen können Angeklagte mit bis zu 200 Hieben verurteilt werden.
Der Gebrauch von Auspeitschungen als Strafe stellt eine grausame, inhumane und erniedrigende Behandlung dar und sollte als Folter bewertet werden. Opfer von Auspeitschungen erfahren Schmerz, Furcht und Erniedrigung, und Auspeitschungen können langanhaltende oder dauerhafte Verletzungen zur Folgen haben. Sie verletzen die UN Konvention gegen Folter und andere grausame, inhumane oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen (UNCAT), die Indonesien 1998 ratifiziert hat.
Im Jahr 2008 hat das UN-Komitee gegen Folter Indonesien aufgefordert, alle nationalen und lokalen Gesetzgebungen zu überprüfen, die den Gebrauch von Körperstrafen autorisieren, mit dem Ziel, solche Strafen sofort abzuschaffen. Im Jahr 2013 hat das Menschenrechtskomitee - eine Experten-Institution, die die Übereinstimmung der Staaten mit dem internationalen Abkommen zu zivilen und politischen Rechten (ICCPR) überwacht - Indonesien dazu aufgefordert, praktische Schritte zu unternehmen, um die Verhängung von Körperstrafen zu beenden und die Maßnahmen im Gesetz von Aceh zu widerrufen, die die Nutzung von Körperstrafen im Strafvollzug gestatten.
Auspeitschungen und andere Maßnahmen im Islamischen Strafgesetz von Aceh, die Menschenrechte verletzen, müssen wiederufen oder überarbeitet werden und die oben genannten Organisationen fordern Indonesien und die Behörden in Aceh dazu auf, dies sofort und mit angemessenen Schritten anzugehen.