AMNESTY INTERNATIONAL
„Dieses Urteil ist zwar nicht der Sieg, auf den die LGBTI-Gemeinschaft in Japan gehofft hatte, aber es zeigt, dass es Fortschritte bei den LGBTI-Rechten gibt und die Dynamik für Veränderungen zunimmt.“
„Obwohl das Gericht heute das diskriminierende Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe durch die Regierung bestätigt hat, hat es auch deutlich gemacht, dass Japans Rechtssystem so geändert werden muss, dass die Menschenrechte gleichgeschlechtlicher Paare besser geachtet werden. Das bedeutet letztlich, dass ein Rechtsrahmen geschaffen werden muss, der es gleichgeschlechtlichen Paaren ermöglicht, die gleichen Rechte zu haben wie heterosexuelle Paare.“
„Es muss noch viel mehr getan werden, um die Diskriminierung von LGBTI-Personen in der japanischen Gesellschaft zu bekämpfen. Ohne eine konkrete nationale Gesetzgebung sind die lokalen Gerichte nicht befugt, gleichgeschlechtliche Ehen anzuerkennen.“
„Die japanische Regierung handelt diskriminierend und verfassungswidrig, wenn sie gleichgeschlechtlichen Paaren die Eheschließung verweigert, und dieses Urteil ist ein weiteres Zeichen dafür, dass sie ihren Kurs in Sachen LGBTI-Rechte ändern muss.“
Hintergrund
Im Vorfeld des heutigen Urteils des Bezirksgerichts Fukuoka hatten drei gleichgeschlechtliche Paare aus Kumamoto und Fukuoka argumentiert, dass die derzeitige Auslegung des japanischen Zivilgesetzbuchs, das die Ehe als eine Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau definiert, gegen ihre verfassungsmäßigen Rechte auf Gleichheit und Freiheit der Ehe verstößt.
Das Gericht entschied, dass das japanische Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe nicht verfassungswidrig ist, und wies die Schadensersatzklagen der drei Paare ab. Das Gericht empfahl dem japanischen Gesetzgeber jedoch, das Rechtssystem so zu ändern, dass es die sich verändernde Dynamik der japanischen Gesellschaft besser widerspiegelt, insbesondere im Hinblick auf die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare.
Das heutige Urteil spiegelt das Urteil des Bezirksgerichts Tokio vom November 2022 wider, in dem es hieß, dass Japans Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe nicht verfassungswidrig sei, dass aber „die Situation ... im Widerspruch zu Artikel 24 Absatz 2 der Verfassung“ stehe.
Es ist das jüngste in einer Reihe ähnlicher Gerichtsurteile der letzten Jahre mit unterschiedlichen Ergebnissen.
Im Jahr 2019 reichten dreizehn gleichgeschlechtliche Paare bei verschiedenen Bezirksgerichten in Japan Klagen ein, um die rechtliche Anerkennung ihrer Ehen zu erwirken. Einige Gerichte wiesen die Klagen aufgrund der Auslegung des Zivilgesetzbuchs und des Fehlens spezifischer Gesetze zur gleichgeschlechtlichen Ehe ab.
Im März 2021 entschied das Bezirksgericht Sapporo, dass die Verweigerung der gleichgeschlechtlichen Ehe verfassungswidrig war, was den ersten Sieg für die gleichgeschlechtliche Ehe vor einem japanischen Gericht bedeutete.
Im Juni 2022 wies das Bezirksgericht Osaka die Klagen dreier gleichgeschlechtlicher Paare - zwei männlich, eins weiblich - ab, die behaupteten, das japanische Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe sei verfassungswidrig. Das Gericht entschied, dass Artikel 14, der die „Gleichheit vor dem Gesetz“ vorsieht, nicht verletzt worden sei.
Im Mai 2023 entschied das Bezirksgericht Nagoya als zweites Gericht des Landes nach Sapporo, dass die fehlende rechtliche Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe verfassungswidrig ist.
Die öffentliche Meinung über die gleichgeschlechtliche Ehe hat sich in Japan zum Positiven gewandelt, und Umfragen zeigen eine wachsende Akzeptanz und Unterstützung für gleiche Eherechte. Im Februar 2023 entließ Premierminister Fumio Kishida seinen Exekutivsekretär Masayoshi Arai, der sich abfällig über LGBTI-Menschen geäußert hatte.
Japan hat noch keine nationalen Rechtsvorschriften zur Beseitigung der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität oder des Intersex-Status erlassen. Am 1. November 2022 begann die Regierung des Großraums Tokio mit der Ausstellung von Bescheinigungen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften, die nicht die vollen Rechte einer Ehe, einschließlich des Erbrechts, beinhalten.
Ein Gesetzentwurf, welcher die Interessen von LGBTI-Gemeinschaft stärken soll, wurde in diesem Jahr im Parlament debattiert. Die Debatte wurde jedoch dadurch erschwert, dass es drei verschiedene Gesetzesentwürfe von verschiedenen Parteien zum selben Thema gibt.
Amnesty International fordert die japanische Regierung weiterhin auf, den LGBTI-Rechten Vorrang einzuräumen und eine umfassende nationale Gesetzgebung einzuführen, die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität und des Intersex-Status ausdrücklich verbietet.