AMNESTY INTERNATIONAL
„Dieses Urteil ist ein wichtiger Schritt nach vorne und ein Moment der Hoffnung für Hongkongs LGBTI-Menschen, denen aufgrund der veralteten und diskriminierenden Gesetze der Stadt lange Zeit gleiche Rechte verweigert wurden.
Jimmy Shams Teilerfolg vor Gericht ist der Lohn für seinen unermüdlichen Einsatz für die Gleichberechtigung und eine klare Botschaft an die Regierung von Hongkong, dass ihre Gesetze zur gleichgeschlechtlichen Ehe dringend reformiert werden müssen.
Es ist bedauerlich, dass das Gericht das verfassungsmäßige Recht auf Eheschließung ausschließlich auf verschiedengeschlechtliche Paare beschränkt sah. Es kann jedoch nicht übersehen werden, dass das Gericht die Regierung auffordert, gleichgeschlechtlichen Paaren eine formale und allgemeine rechtliche Anerkennung zu gewähren, um ihre Rechte zu schützen, ihnen eine sichere Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und ihre Legitimität anzuerkennen.
Der heutige Tag kann der Beginn einer gleichberechtigteren Gesellschaft in Hongkong sein, aber es liegt noch ein weiter Weg vor uns. Jetzt ist es entscheidend, dass die Regierung die Umsetzung dieses Urteils nicht verzögert, denn es ist ein erster Schritt zur Gewährleistung der vollständigen Gleichstellung von LGBTI-Personen.
Die Anordnung zur Verabschiedung eines Anerkennungsrahmens reiht sich nun in die To-do-Liste der Regierung von Hongkong ein, deren bisherige Gesetze zur Anerkennung des Geschlechts und zur Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität oder des Intersex-Status nach öffentlichen Konsultationen in den letzten zehn Jahren nur minimale Fortschritte gebracht haben.
Die Ehe von Jimmy Sham ist rechtmäßig und sollte als solche anerkannt werden. Das heutige Urteil muss die Behörden in Hongkong dazu veranlassen, die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Liebe zu beenden.
Alle Gesetze, Strategien und Praktiken, die Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität und ihres intersexuellen Status diskriminieren, müssen überprüft und überarbeitet werden. Alle Ehen sollten gleich behandelt werden.“
Hintergrund
Das letzte Berufungsgericht in Hongkong hat heute einen Teilsieg für den LGBTI-Aktivisten Jimmy Sham errungen und entschieden, dass die Regierung verfassungsmäßig verpflichtet ist, einen Rechtsrahmen für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Beziehungen zu schaffen.
Das Gericht setzte der Regierung eine Frist von zwei Jahren, um den alternativen Rahmen zu schaffen, nachdem weitere juristische Stellungnahmen eingegangen waren.
In zwei anderen Fragen entschied das Gericht jedoch gegen Sham: ob der Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare von der Institution der Ehe einen Verstoß gegen das Recht auf Gleichheit gemäß der Hongkonger Verfassung und den Grundrechten darstellt und ob die fehlende Anerkennung ausländischer gleichgeschlechtlicher Ehen gegen das Recht auf Gleichheit verstößt.
Die Entscheidung bestätigte zwar ein Urteil des Berufungsgerichts von Hongkong vom August 2022, wonach das Gesetz der Stadt nur Ehen zwischen einem Mann und einer Frau anerkennt, hob dieses Urteil aber insofern auf, als die Regierung nun einen „alternativen Rechtsrahmen“ für die Anerkennung festlegen muss.
Sham, der seinen Partner 2013 in den USA geheiratet hat, setzte sich seit 2018 dafür ein, dass Hongkong gleichgeschlechtliche Ehen, die im Ausland geschlossen wurden, anerkennt, da die geltenden Gesetze verfassungswidrig sind.
Als ehemaliger Anführer der aufgelösten Protestgruppe „Civil Human Rights Front“ ist Sham wegen seines politischen Engagements ins Visier der Behörden geraten. Seit März 2020 befindet er sich wegen „Verschwörung zur Subversion“ nach dem Hongkonger Gesetz zur nationalen Sicherheit in Untersuchungshaft.
Derzeit erkennt Hongkong rechtlich nur die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau an, nicht aber die gleichgeschlechtliche Ehe, die zivile Partnerschaft oder eine andere Form der rechtlichen Verbindung.
Auch haben die Behörden keine ausreichenden Schritte unternommen, um die Diskriminierung von LGBTI-Personen im weiteren Sinne zu bekämpfen, obwohl der UN-Menschenrechtsausschuss, der die Umsetzung der Verpflichtungen der Regierung aus dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte überwachen soll, 2022 eine klare Empfehlung für Hongkong ausgesprochen hat.
In den letzten Jahren haben jedoch das Berufungsgericht und untergeordnete Gerichte in Hongkong die pauschale Verweigerung von Partnerschaftsrechten als diskriminierend eingestuft, beispielsweise durch die Anerkennung des Rechts gleichgeschlechtlicher Paare auf abhängige Ehegattenvisa, Beschäftigungsleistungen, gemeinsame Steuerveranlagung und öffentlichen Wohnraum.
Amnesty International ist der Ansicht, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen gleichberechtigt und auf der gleichen Grundlage und mit den gleichen Rechten wie die von verschiedengeschlechtlichen Paaren anerkannt werden sollten.