Graffiti in der tunesischen Hauptstadt Tunis
Graffiti in der tunesischen Hauptstadt Tunis, © Mawjoudin – Foto: © Mawjoudin

Meldungen | Tunesien : Tunesien muss im UN-Menschenrechtsrat gegebenen Versprechen einhalten und die Straffreiheit für Sicherheitskräfte beenden.

Die Anwendung von Folter in Gewahrsam und Menschenrechtsverletzungen im Namen von Sicherheit und Terrorismusbekämpfung werden unvermindert weitergehen, wenn Tunesien nicht seine Verpflichtungen erfüllt, die es heute beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf eingegangen ist, sagte Amnesty International.

AMNESTY INTERNATIONAL – PRESSEMITTEILUNG

21. September 2017

Während der heutigen Sitzung wurde das Ergebnis der dritten Überprüfung der Menschenrechtslage in Tunesien verabschiedet. Die tunesischen Behörden akzeptierten 189 Empfehlungen zur Verbesserung der Menschenrechtslage des Landes, einschließlich Versprechen, die Verantwortlichkeit für Misshandlungen durch Sicherheitskräfte zu erhöhen, Folter und andere Misshandlungen zu beenden und sicherzustellen, dass Terrorismusbekämpfung und nationale Sicherheitsmaßnahmen die Menschenrechte nicht gefährden.

"Die von Tunesien heute eingegangenen Verpflichtungen sind ein Schritt in die richtige Richtung. Aber die Regierung muss diese Reformen zügig umsetzen und ihre Versprechen von Menschenrechtsfortschritten verwirklichen ", sagte Heba Morayef, Research Direktorin für Nordafrika bei Amnesty International.

Zwei kürzlich vorgeschlagene Gesetzesvorlagen haben die Verpflichtung der Regierung zur Rechenschaftspflicht in Frage gestellt. Letzte Woche stimmte das tunesische Parlament einem umstrittenen Gesetzentwurf zu, der Beamten, die der Korruption unter der Herrschaft des früheren Präsidenten Zine El-Abidine Ben Ali beschuldigt wurden, Amnestie gewährt.

Die Zusagen Tunesiens im Zusammenhang mit den Reformen des Sicherheitssektors werden ernsthaft untergraben, wenn die Regierung einen Gesetzesvorschlag mit dem Titel "Repression gegen Angriffe auf Streitkräfte" verabschiedet, der den Sicherheitskräften Immunität vor Strafverfolgung für unnötigen Einsatz tödlicher Gewalt und Kritik am Verhalten der Polizei kriminalisiert. Der Gesetzentwurf könnte bereits im nächsten Monat im Parlament verhandelt werden.

"Tunesiens Versprechen, die Straffreiheit für die Sicherheitskräfte zu beenden, wird bedeutungslos sein, wenn die Behörden mit einem Gesetzentwurf fortfahren, der die Sicherheitskräfte vor Strafverfolgung von Menschenrechtsverletzungen schützt. Die Behörden müssen nachweisen, dass sie sich den heutigenVersprechen verpflichtet fühlen, indem sie den Gesetzesentwurf sofort zerreißen ", sagte Heba Morayef.

Amnesty International hat die tunesischen Behörden seit Jahren aufgefordert, ihre Anstrengungen zur Reform des Sicherheitssektors und zur Abschaffung der Straflosigkeit zu verstärken. Doch seit 2011 ist die überwältigende Mehrheit der glaubwürdigen Foltervorwürfe und anderer schwerwiegender Verstöße durch Sicherheitskräfte nicht unabhängig und unparteiisch untersucht worden, und es gab nur wenige Strafverfolgungen.

Von 248 Empfehlungen aus mehr als 100 Ländern hat Tunesien heute bei seiner UN-Überprüfungssitzung 189 angenommen, 55 bestätigt und vier zurückgestellt.

Im Rahmen ihrer Verpflichtungen haben die tunesischen Behörden zugesagt, dass alle Foltervorwürfe unparteiisch und effektiv untersucht werden.

In dem Bericht vom Februar 2017 über Missstände während des Ausnahmezustandes in Tunesien hat Amnesty International hervorgehoben, dass Menschenrechtsverletzungen wie Folter, willkürliche Verhaftungen und Bewegungsbeschränkungen im Namen der nationalen Sicherheit seit dem Sturz von Präsident Ben Ali im Jahr 2011 begangen wurden.

"Tunesien darf diese Chance nicht verspielen, um seinen Verpflichtungen gemäß seiner eigenen Verfassung und den internationalen Menschenrechtsnormen nachzukommen und muss die Reformen umsetzen", sagte Heba Morayef.

Während eines Treffens mit Amnesty International in Tunis hat der tunesische Minister für Beziehungen mit den Verfassungsbehörden, Zivilgesellschaft und Menschenrechte, Mehdi Ben Gharbia, das Ergebnis der Menschenrechtsrevision der Vereinten Nationen diskutiert. Er betonte, dass die Regierung Empfehlungen bezüglich der "körperlichen Integrität sehr ernst nimmt" und dass die Bemühungen zur Bekämpfung der Folter fortgesetzt werden, dass es jedoch Zeit braucht, um das Erbe der Ben Ali-Ära zu überwinden. Er fügte hinzu, dass die Behörden auch hart daran arbeiteten, erzwungene Analuntersuchungen zu beenden, die regelmäßig an Männern durchgeführt werden, die verdächtigt werden, gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen einzugehen. Amnesty international betrachtet diese Untersuchungen als Folter.

In diesem Zusammenhang begrüßte Amnesty International heute Tunesiens Annahme von zwei Empfehlungen, die Praxis der erzwungenen Analuntersuchungen sofort einzustellen und den Schutz von LGBTQI-Personen vor allen Formen von Stigmatisierung, Diskriminierung und Gewalt zu gewährleisten. Die Organisation bedauert jedoch zutiefst, dass Tunesien 14 Empfehlungen zur Entkriminalisierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen abgelehnt hat.

Während der heutigen Sitzung haben sich die tunesischen Behörden auch verpflichtet, die nationalen Gesetze mit der neuen Verfassung des Landes und den internationalen Menschenrechtsstandards in Einklang zu bringen. Amnesty international fordert nun die Behörden auf, den längst überfälligen Prozess zur Einrichtung eines Verfassungsgerichts zu beschleunigen und das Strafgesetzbuch des Landes zu ändern, um sicherzustellen, dass alle Artikel in Bezug auf Meinungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, Folter und Todesstrafe mit dem Völkerrecht in Einklang gebracht werden.

Enttäuschenderweise lehnte Tunesien eine Empfehlung zur Beendigung von Militärprozessen gegen Zivilisten ab, was eine Verletzung internationaler Standards für faire Gerichtsverfahren darstellt

Dies die dritte regelmäßige Überprüfung durch den UN-Menschenrechtsrat. Amnesty International hat auf der heutigen Sitzung eine mündliche Erklärung abgegeben und zuvor einen Bericht an den Rat übermittelt, in dem die wichtigsten Menschenrechtsfragen im Land sowie wichtige Empfehlungen hervorgehoben wurden.

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