AMNESTY INTERNATIONAL – ÖFFENTLICHE STELLUNGNAHME
Index: ASA 21/6279/2017
17. Mai 2017
Die beiden Männer wurden von Nachbarn in ihrem Haus überfallen; diese machten Filmaufnahmen, die sie der Schari´a Polizei übergaben. Anschließend wurde das Paar von der Aceh Shari'a Polizei sofort verhaftet. Amnesty International fordert die Polizei auf, die Selbstjustiz zu untersuchen, die der Mob gegen die beiden Männer begangen hat.
Am 17. Mai 2017 verurteilte das Banda Aceh Shari'a Gericht die beiden Männer zu je 85 Peitschenhieben wegen "gleichgeschlechtlich sexueller Beziehungen (liwath)". Der Staatsanwalt hat angekündigt, dass die Strafe gegen das Paar vor dem islamischen Fastenmonat, dem Ramadan (der am 26. Mai beginnt), vollzogen wird, obwohl das Paar noch einen Widerspruch beim Banda Aceh High Court einlegen kann.
Nach internationalem Menschenrechtsgesetz stellt die Verwendung von Peitschenhieben eine grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe dar und kommt Folter gleich. Opfer von Peitschenhieben erleben Schmerzen, Angst und Demütigung, und es können langfristige und dauerhafte Verletzungen verursacht werden. Das Recht, frei von Folter und anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Strafen zu sein, ist in der indonesischen Verfassung (Artikel 28G) ebenso wie das Gesetz Nr. 29/1999 über die Menschenrechte (Artikel 33) gewährleistet. Alle Formen der körperlichen Bestrafung verletzen das UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (UNCAT) und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), die Indonesien 1998 und 2006 ratifiziert hat.
Indonesien wurde im Jahr 2008 vom UN-Komitee gegen Folter, das die Zustimmung der Staaten zur UNCAT überwacht, aufgefordert, alle nationalen und lokalen Gesetze zu überprüfen, die die Verwendung von körperlicher Bestrafung als strafrechtliche Sanktionen mit sich ziehen, im Hinblick auf ihre sofortige Abschaffung zu überprüfen. Im Jahr 2013 forderte der Menschenrechtsausschuss, der für das ICCPR die gleiche Funktion hat, Indonesien auf, praktische Schritte zu unternehmen, um körperliche Bestrafung zu beenden und die diesbezüglichen Bestimmungen der Gesetze von Aceh aufzuheben.
Darüber hinaus verletzen Gesetze, die einvernehmlich sexuelle Handlungen kriminalisieren, internationale Menschenrechtsgesetze und -normen. Der UN-Menschenrechtsausschuss und andere Menschenrechtsorganisationen haben Bedenken hinsichtlich der Gesetze erhoben, die "Ehebruch" oder andere einvernehmlich sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe kriminalisieren, weil sie die Menschenrechte auf Privatsphäre, Nichtdiskriminierung und andere Rechte verletzen. Diese Gesetze sollten aufgehoben werden.
Die Bestimmungen der Islamischen Gesetze von Aceh verstoßen auch gegen die MOU Helsinki-Vereinbarung von 2005, die den Konflikt in Aceh beendet hat und vorsieht, dass der gesetzliche Kodex für Aceh auf "universellen Grundsätzen der Menschenrechte, wie sie im UNCCCR vorgesehen sind" (Artikel 1.4 .2), fußen.
Hintergrund
Das Islamische Strafgesetzbuch wurde 2014 vom Parlament von Aceh (DPRA) verabschiedet und trat am 23. Oktober 2015 in der Provinz Aceh in Kraft. Die Scharia-Statuten sind seit der Verabschiedung des Sonderautonomiegesetzes der Provinz in Aceh 2001 in Kraft und werden von islamischen Gerichten vollstreckt. Diese Gesetze erweitern das Spektrum der Straftaten, für die das Auspeitschen verhängt werden kann, in einigen Fällen auf bis zu 200 Hiebe. Straftaten beinhalten einvernehmliche Vertrautheit oder sexuelle Aktivitäten unverheirateter Paare, einvernehmliche sexuelle Handlungen außerhalb der Ehe, gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen sowie Verbrauch und Verkauf von Alkohol und Glücksspiel. Das Aceh Strafgesetzbuch gilt für Muslime und Nichtmuslime und beinhaltet auch Straftaten, die nicht als Verbrechen nach dem indonesischen Strafgesetzbuch (KUHP) behandelt werden. Nach dem internationalen Menschenrechtsgesetz sind alle Formen der körperlichen Bestrafung verboten - sie sind grausame, unmenschliche oder erniedrigende Strafen und oft Folterungen.
Das Auspeitschen wird regelmäßig in öffentlichen Räumen unter Beteiligung großer Menschenmengen durchgeführt, wobei Fotos und Videos gemacht werden, die die Demütigung und die langfristigen Leiden derjenigen, die dieser grausamen, schmerzhaften und erniedrigenden Strafe unterworfen sind, verstärken.
Im Jahr 2015 wurden mindestens 108 Personen und in 2016 mindestens 100 Personen in Aceh ausgepeitscht. Das Gesetz wurde für Nicht-Muslime im April 2016 zum ersten Mal angewandt, als eine christliche Frau zu 28 Peitschenhieben wegen des Verkaufs von Alkohol verurteilt wurde.