In zahlreichen Teilnehmerländern der Fußball-Weltmeisterschaft wie Iran, Saudi-Arabien, Mexiko, Ecuador und USA werden die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender mit Füßen getreten. Sogar in unserem europäischen Nachbarland Polen werden Homosexuelle massiv bedroht und gesellschaftlich angefeindet. Die Berliner und Frankfurter MERSI-Gruppen sind im Juni mit einem spektakulären „Fußball-Happening“ zur Verteidigung der Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender angetreten.
Mit einem symbolischen Fußballspiel auf dem Potsdamer Platz in Berlin und auf dem Liebfrauenbergplatz in Frankfurt/Main machten die Gruppen zum Auftakt der Fußball-WM auf die weltweite Diskriminierung und Verfolgung von sexuellen Minderheiten aufmerksam. Während der mehrstündigen Aktion, die in Berlin an drei Tagen stattfand, trat ein Team aus MenschenrechtsverteidigerInnen gegen ein zweites Team an, das sich symbolisch aus den Teilnehmerländern zusammensetzte, in denen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. Mit „gelben“ und „roten Karten“, die an Passanten verteilt wurden, wurde über die Situation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender in verschiedenen WM-Teilnehmerländern informiert, wo massive Menschenrechtsverletzungen an LGBT stattfinden.
Ein großer Erfolg war das Medieninteresse an der MERSI-Aktion. Der amerikanische Fernsehsender CNN erschien am Samstag, den 17. Juni 2006, mit einem Kamerateam auf dem Potsdamer Platz. MERSI-Gruppensprecher Rupert Haag stand dem CNN-Reporter Rede und Antwort, und die Kamera fing Bilder von der Aktion ein. Insgesamt konnten viele BerlinerInnen und WM-TouristInnen durch die aufsehenerregende Aktion erreicht und Unterschriften für mehrere Petitionen gesammelt werden.
MERSI-Berlin wurde bei dieser Aktion von Fußballerinnen und Fußballern der Berliner schwul-lesbischen Sportvereine Seitenwechsel e.V. und Vorspiel e.V. und dem schwulen Fanclub Hertha Junxx unterstützt.
Christiane Bunge
Situation für LGBT in verschiedenen WM-Teilnehmerländern, wo massive Menschenrechtsverletzungen stattfinden:
Mexiko
Homosexualität ist zwar legal und im April 2003 wurde ein nationales Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet, das Diskriminierung aufgrund „sexueller Präferenz“ verbietet. Der Staat setzte sogar einen nationalen Antidiskriminierungsrat ein, der Verstöße untersucht. In der Praxis sind örtliche Behörden z.T. jedoch nicht in der Lage oder willens, Personen zu schützen, die Angriffen oder Hassverbrechen aufgrund ihrer sexuellen Identität ausgesetzt sind. In manchen Fällen sind die Täter sogar Polizisten.
Polen
Homosexualität ist zwar legal, seit dem Wahlsieg des Präsidenten Lech Kaczynski 2005 eskaliert jedoch die homophobe Rhetorik und regierende Politiker versuchen, Lesben und Schwule zu kriminalisieren. Der Parteivorsitzende (und Bruder des Präsidenten) Jaroslaw Kaczynski warnte, dass Schwule „perverse Demonstrationen in den Straßen durchführen dürfen, aber es verboten ist, die Notwendigkeit moralischer Zensur zu diskutieren.” Premierminister Marcinkiewicz erklärte, dass, falls ein Homosexueller versuche, andere mit seiner Homosexualität zu „infizieren“, der Staat diese „Verletzung der Freiheit“ verhindern müsse. Am 26.1.2006 wählte der Sejm (das Parlament) den Richter Janusz Kochanowski zum Ombudsmann für Menschenrechte, der einen engen Zusammenhang zwischen Pädophilie und Homosexualität zu erkennen behauptet. (Quelle: Human Rights Watch)
Südkorea
Homosexualität ist in Südkorea legal. Im Jugendschutzgesetz wird Homosexualität aber als schädlich für die Jugend klassifiziert. Gleichgeschlechtliche Liebe und Transsexualität sind in Südkorea bis heute ein Tabu. Viele Koreaner betrachten Homosexualität als abnormale Krankheit, die behandelt werden muss. Auch in der Armee werden Soldaten wegen ihrer sexuellen Identität schwer diskriminiert.
Tunesien
Einvernehmliche homosexuelle Handlungen zwischen männlichen wie weiblichen Erwachsenen können nach § 230 des tunesischen Strafgesetzbuches mit drei Jahren Gefängnis bestraft werden. Ist ein Jugendlicher (unter 18) beteiligt, kann das Strafmaß verschärft werden. Amnesty international liegen keine Informationen darüber vor, in welchem Ausmaß dieses Gesetz zur Anwendung gebracht wird. Der Paragraph stellt jedoch einen Verstoß u.a. gegen den Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte dar (z.B. Art. 17: Recht auf Privatleben, Art. 2+26: Freiheit von Diskriminierung).
USA
Homosexualität ist in den USA legal. Dennoch werden Tausende von lesbischen, schwulen, bi- und transsexuellen Menschen zu Opfern eines Systems, das Diskriminierung fördert, Folter ermöglicht und dazu führt, dass die Täter keine Strafe zu fürchten brauchen. Im Bericht „Stonewalled“ hat amnesty international zahlreiche Fälle aus den Jahren 2003 bis 2005 dokumentiert, bei denen Lesben, Schwule, Bi- oder Transsexuelle sowie Aktivisten dieser Gruppen von Polizisten beschimpft, belästigt, gedemütigt, geschlagen und/oder vergewaltigt wurden. Tatorte waren Polizeiwachen, Gefängnisse, aber auch Privatwohnungen und Orte auf der Straße. Morde an Lesben, Schwulen, Bi- oder Transsexuellen werden von den Behörden in manchen Fällen nur sehr nachlässig und mit Widerwillen untersucht.
Ecuador
Homosexualität ist legal. Die ecuadorianische Verfassung enthält seit 1988 eine Bestimmung, die die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung explizit verbietet. Zwischen dem verfassungsmäßig garantierten Recht und der gesellschaftlichen Realität klafft jedoch eine besorgniserregende Lücke. Sexuelle Minderheiten sind weiterhin starken Vorurteilen und Diskriminierungen ausgesetzt, da die Behörden bei der Durchsetzung dieser Rechte versagen.
Iran
Homosexuelle Handlungen – männliche wie weibliche – können nach § 108 ff. des Strafgesetzes mit Auspeitschung bis hin zur Todesstrafe geahndet werden. Die „Persian Gay & Lesbian Organisation“ sowie Human Rights Watch (HRW) berichten von Verfolgungen von Menschen in Iran aufgrund ihrer sexuellen Identität. 2005 wurden in Iran mindestens vier Männer wegen „Vergehen“ hingerichtet, in denen Homosexualität eine Rolle spielte (Quelle: HRW).
Saudi-Arabien
In Saudi-Arabien kommt das Sharia-Recht zur Anwendung, wonach „abartiges Sexualverhalten“ mit Auspeitschung bis hin zur Todesstrafe geahndet werden kann. Unerwünschtes Sexualverhalten bzw. auch nur das Tragen von Bekleidung des anderen Geschlechts kann aktive Verfolgung durch den Staat nach sich ziehen. Vier Männer wurden im April 2005 zu 2000 Peitschenhieben und zwei Jahren Gefängnis verurteilt, 31 weitere zu je 200 Peitschenhieben und sechs bis zwölf Monaten Gefängnis, weil sie in Jeddah an einer „schwulen Hochzeit“ teilgenommen hatten. Amnesty international betrachtet diese Männer als gewaltlose politische Gefangene, die ausschließlich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verurteilt worden sind.
erstellt am: 12.07.2006