7. Februar 2014
von Khairunissa Dhala, Refugee Researcher bei Amnesty International
Doch eines Nachts wurde er in ein Treffen mit zwei Männern gelockt. Er sagt, sie haben ihn vergewaltigt und sein Handy und Geld aus seiner Brieftasche gestohlen. Khalil hat den Vorfall nie der Polizei gemeldet. Er ist ein Flüchtling - und homosexuell. Er befürchtete, bestraft zu werden, und dass es niemanden kümmern würde, was ihm widerfahren worden war.
Danach hat er versucht, Selbstmord zu begehen - ein Freund fand ihn und brachte ihn ins Krankenhaus. Obwohl der Libanon dafür bekannt ist, toleranter als die meisten anderen Länder der Region zu sein, sind 'homosexuelle Handlungen' laut dem libanesischen Strafgesetzbuch wie in Syrien verboten. Der Bekanntheitsgrad der Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen (LGBTI) wächst zwar stetig, doch gilt das Thema noch immer als tabu.
Khalil ist einer von knapp einer Millionen syrischen Flüchtlingen, die in den Libanon gekommen sind. Er sagt, dass er tagtägliche Diskrimination erleiden muss. Grund dafür sei seine Nationalität, doch als schwuler Mann muss er mit weiteren Schwierigkeiten kämpfen. Der Großteil der Flüchtlinge, die aus Syrien in den Libanon kommen, werden beim UNHCR eingeschrieben, dem Flüchtlingshilfswerk der UN, um Unterstützung erhalten zu können.
Ich lernte, dass viele schwule Männer dabei ihre sexuelle Identität nicht verraten - aus Angst vor zusätzlicher Stigmatisierung. Diejenigen, die sich eingeschrieben haben, sagen, dass Dienstleister_innen der UNHCR ihre Homosexualität in Frage stellten, bevor sie ihnen geholfen haben. Zudem haben sie keine Rücksicht auf ihre Bedürfnisse genommen. Die meisten berichten, dass sie die Sicherheit und Geborgenheit, nach der sie außerhalb Syriens gesucht haben, nicht finden konnten.
Der vierunddreißigjährige Omar zog im November 2012 in den Libanon, da er befürchtete, in Syrien von islamistischen Militant_innen, welche seine Heimatstadt eingenommen hatten, aufgrund seiner Homosexualität verfolgt zu werden. Trotzdem fällt es ihm schwer, sich sicher zu fühlen. „Ich fühle mich generell weder sicher noch stabil. Es wird dadurch verschlimmert, dass ich nicht nur schwul, sondern auch syrisch bin. Das stellt eine doppelte Diskriminierung dar“, so Omar.
Sind sie einmal im Libanon angekommen, haben die meisten syrischen Flüchtlinge mit den hohen Lebensunterhaltskosten und der fehlenden Verfügbarkeit an Unterstützung zu kämpfen. Flüchtlinge können aufgrund ihrer finanziellen Notlage Unterstützung erhalten und sind somit verstärkt auf die Hilfe anderer angewiesen. Dadurch sind sie gefährdet, in missbrauchende Beziehungen zu geraten, weil sie nirgendwo anders hingehen können.
Der sechsundzwanzigjährige Hamid zog 2011 in den Libanon und lebte anfangs mit einem libanesischen Freund, von dem er erzählt, missbraucht worden zu sein. Er sagt, er sei geschlagen und dazu gezwungen worden, mit Freunden des Mannes Geschlechtsverkehr zu haben. „Er hat mich häufig körperlich verletzt. Er hat mein Bein gebrochen und mein Ohr geschlagen - ich kann nicht richtig hören. Ich habe nie das Haus verlassen, weil es keinen Ort gab, wo ich hingehen konnte. Ich habe es toleriert, geschlagen zu werden... Er hat damit gedroht, mich aus aus dem Haus zu werfen, es sei denn, ich hätte Geschlechtsverkehr mit seinen Gästen“, sagte er.
Im November 2013 lief Hamid davon und schlief zwei Nächte lang am Strand, bevor er sich beim UNHCR eintrag. Er leidet unter Hepatitis B, einem Virus, der die Leber angreift, und hat den UNHCR über seine Erkrankung informiert. Die Behandlungskosten für chronische Erkrankungen wie Hepatitis B sind sehr hoch und werden weder von der UN noch vom libanesischen Gesundheitssystem abgedeckt. Hamid konnte sich testen und somit seine Krankheit nachweisen lassen. Um die monatlichen Behandlungskosten abzudecken, die im Libanon bei einer Höhe von $3000 USD liegen, fehlen ihm jedoch die finanziellen Mittel. Er ist außerstande zu arbeiten und darüber besorgt, dass im Krankheitsfall niemand da sein wird, der sich um ihn kümmert. Ohne Aussicht auf weitere Unterstützung oder medizinische Versorgung ist Hamid so verzweifelt, dass er sogar überlegt, zu dem Mann zurückzukehren, der ihn geschlagen hat, um mit ihm zu leben.
Khalil, Omar und Hamid sagten alle, dass sie hoffen, sich schließlich in einem Land niederlassen zu können, wo sie Zugang zu medizinischer Versorgung, Recht auf Arbeit, und keine Angst davor haben, offen zu gestehen, dass sie schwul sind. Bis dahin werden sie weiterhin ihr Bestes geben im Libanon zu überleben.
Alle Namen wurden zum Schutz der Identität der Personen verändert.