Zu diesem Schluss kommt Amnesty International in dem neu veröffentlichten Bericht "Republic of Cameroon. Make human Rights a reality". Ausdruck der gravierenden Mängel im kamerunischen Justizsystem ist auch die Verfolgung von LGBTI-Personen (Lesbian, Gay, Bisexuals, Transgender, Intersexual), der ein Klima der Straflosigkeit zugrunde liegt. Seit etwa 2005 werden in Kamerun Personen aufgrund ihrer vermeintlichen oder tatsächlichen sexuellen Orientierung zunehmend Opfer von willkürlichen Verhaftungen, Inhaftierungen und anderen Formen von Menschenrechtsverletzungen.
Laut Strafgesetzbuch sind lediglich gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen verboten. In der Praxis wird das Gesetz jedoch wesentlich weiter ausgelegt. So werden die meisten Betroffenen allein aufgrund ihrer vermuteten sexuellen Orientierung verfolgt, angeklagt und verurteilt. In kaum einem Fall gibt es Zeugenaussagen über mutmaßliche gleichgeschlechtliche Handlungen.
Korruption und politische Einflussnahme im Justizsystem
Rechtsstaatliche Prinzipien werden bei den Verfahren nicht hinreichend beachtet. So erfolgt beispielsweise keine ordentliche Beweisaufnahme. Die Anklageerhebung erfolgt nicht entsprechend der Strafprozessordnung Kameruns: So befinden sich verdächtigte Personen zum Teil mehrere Monate oder Jahre ohne Anklageerhebung oder Anhörung in Untersuchungshaft. Verurteilte Inhaftierte werden mitunter auch nach Ende ihrer Haftstrafe weiterhin im Gefängnis festgehalten. Die Richter unterliegen politischer Einflussnahme und Korruption.
In einigen Fällen werden im Polizeigewahrsam durch psychische oder körperliche Folter Geständnisse erpresst, zum Beispiel durch Schläge auf die Fußsohlen. Immer wieder berichten homosexuelle Männer, dass sie unter Zwang einer medizinischen Analuntersuchung unterzogen werden.
Homosexualität als "widernatürliches" Verhalten
Regierungsvertreter Kameruns und staatliche Sicherheitskräfte befürworten öffentlich, gezielt gegen Einzelpersonen oder Gruppen von Menschen vorzugehen, die sich für die Rechte von LGBTI-Personen engagieren und sie zu attackieren. Am 27. März 2012 verhinderten Regierungsbeamte die Durchführung eines Workshops über die Rechte von sexuellen Minderheiten durch LGBTI-Aktivisten in Yaoundé, den sie zuvor offiziell genehmigt hatten. Der Workshop wurde von der EU finanziert.
Religiöse Führer und Medien rufen immer wieder zur Ablehnung und Verfolgung von Homosexualität auf. So veröffentlichten die Zeitungen "L'Anecdote" und "Nouvelle Afrique" 2006 eine Liste mit Namen von mutmaßlichen Homosexuellen. Im Juni 2012 schrieb der katholische Geistliche Moses Tazoh in der Zeitung "L'Effort camerounais", dass die Kirche Homosexualität als widernatürliches, abnormales Verhalten ablehne.
LGBTI-Personen werden diskriminiert, sind gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt und werden häufig von Menschen in ihrer Umgebung angezeigt und von der Polizei willkürlich festgenommen.
Drei Jahre Gefängnis wegen Homosexualität
Der bekannteste aktuelle Fall ist jener von Jean-Claude Roger Mbede, der am 2. März 2011 allein aufgrund seiner vermuteten homosexuellen Orientierung verhaftet wurde. Am 28. April 2011 wurde er in einem unfairen Gerichtsverfahren wegen "Homosexualität und der versuchten homosexuellen Handlung" für schuldig befunden und zu drei Jahren Gefängnis und der Zahlung der Verfahrenskosten in Höhe von 86.000 Francs CFA (ca. 130 €) verurteilt.
Roger Mbede legte Berufung ein, doch am 5. März 2012 wurde er nicht zur Anhörung in seinem Berufungsverfahren zum Gericht gebracht. Daraufhin wurde die Gerichtsverhandlung auf den 19. März vertagt. Am 17. Dezember 2012 bestätigte das Berufungsgericht in Yaoundé die Haftstrafe. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands war Roger Mbede jedoch bereits zuvor auf Kaution freigelassen worden. Aus Angst vor Übergriffen ist Roger Mbede inzwischen untergetaucht.
Lesen Sie hier den vollständigen englischsprachigen Bericht "Republic of Cameroon. Make human Rights a reality".