Im Zuge der homophoben Vorkommnisse in Polen, die insbesondere in den Jahren 2005 und 2006 international für Schlagzeilen sorgten, veröffentlichte amnesty international im November 2006 den Bericht „Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender Rights in Poland and Latvia“ (AI Index: EUR 01/019/2006).
In diesem Bericht stellt ai fest, dass ihren Recherchen zufolge die Menschenrechtsverletzungen an LGBT in Polen besorgniserregend sind. Verschiedene Ereignisse weisen auf eine deutlich durch Homophobie geprägte Stimmung in Teilen der Bevölkerung hin. Homophobe Äußerungen von PolitikerInnen und RegierungsvertreterInnen verstärken das Klima von Einschüchterung und Diskriminierung.
Seit den Wahlen im September 2005 hatten die Regierungsparteien verstärkt homophobe Bestrebungen zu Tage gelegt: Während des Präsidentschaftswahlkampfes äußerte sich der spätere Präsident Lech Kaczynski „er würde weiterhin LGBT-Demonstrationen verbieten, da eine öffentliche Werbung für Homosexualität nicht gestattet sein wird.“
Besondere internationale Beachtung fand die Einschränkung des Versammlungsrechts bei verschiedenen LGBT-Veranstaltungen in Polen: Bei zahlreichen Anlässen wurden LGBT-AktivistInnen von GegendemonstrantInnen und anderen Einzelpersonen gewalttätig angegriffen, dabei konnte die Polizei die Sicherheit der LGBT-AktivistInnen und deren Unversehrtheit bei der Ausübung von friedlichen Protesten nicht sicherstellen. Am 19. November 2005 wurden in Poznañ mehrere DemonstrationsteilnehmerInnen der „Gleichheitsparade“ von rechtsgerichteten GegendemonstrantInnen, mehrheitlich von der sogenannten Gesamtpolnischen Jugend, eingeschüchtert und belästigt. Diese riefen u.a.: „Lasst uns die Schwuchteln vergasen!“ und „Wir werden mit Euch machen, was Hitler mit den Juden gemacht hat!“. Als Konsequenz wurden die Angreifer jedoch nicht festgenommen. Nach einer Stunde wurde die Demonstration aufgelöst und 65 Personen verhaftet und von der Polizei verhört, die Mehrzahl davon TeilnehmerInnen der Gleichheitsparade. Zuvor hatte der Bürgermeister die Demonstration mit der Begründung verboten, dass sie ein Sicherheitsrisiko für die BürgerInnen darstelle.
Im Anschluss an die Parade stellten der Polnische Kommissar zum Schutz der Bürgerrechte und NGOs wie die Helsinki-Foundation fest, dass wohl nicht die DemonstrationsteilnehmerInnen, sondern die StörerInnen der Aktion das Sicherheitsrisiko darstellten. Die Entscheidung des Bürgermeisters stellt eine Verletzung des Rechts auf Versammlungsfreiheit dar. Im Dezember 2005 entschied das Verwaltungsgericht von Poznañ, dass das ursprüngliche Verbot der Demonstration nicht rechtens war, die Anklage gegen die DemonstrationsteilnehmerInnen wurde fallengelassen. Der Bürgermeister ging beim Oberverwaltungsgericht in Warschau in Berufung, das das erste Urteil jedoch bestätigte.
Am 28. April 2006 wurde die unter dem Namen „Toleranzparade“ durchgeführte Demonstration für Gleichheit in Krakau von einer Gegendemonstration mit dem Namen „Traditionsmarsch“, organisiert von der Gesamtpolnischen Jugend, gestört und belästigt. Die TeilnehmerInnen der Toleranzparade wurden von den TeilnehmerInnen der Gegendemo mit Steinen und Eiern beworfen, wobei die Polizei die Beworfenen nicht ausreichend schützte.
Obwohl die Parade für Gleichberechtigung in Warschau am 10. Juni 2006 ohne größere Zwischenfälle abgehalten werden konnte, ist dies kein Zeichen für eine Besserung der Verhältnisse. Nach diesem Ereignis erfolgten weitere homophobe Äußerungen von hochrangigen Politikern. Miros³aw Kochalski, Sprecher des Bürgermeisters von Warschau, erklärte am 5. Juli, dass „die Demonstration unmoralisch und eine Gefahr für die Einwohner Warschaus“ gewesen sei.
In Anbetracht dieser massiven Menschenrechtsverletzungen an LGBT forderte ai die relevanten polnischen Stellen u.a. dazu auf, sicherzustellen, dass alle Personen ihr Recht auf freie und friedliche Versammlungen voll wahrnehmen können Öffentliche Angriffe, Bedrohungen und andere Belästigungen von LGBT verurteilt, verfolgt und nicht toleriert werden. Außerdem sollten in Abstimmung mit den internationalen Menschenrechtsstandards sorgfältige Untersuchungen von Angriffen und Bedrohungen gegen Personen durchgeführt werden, die allein aufgrund sexueller Orientierung oder Genderidentität erfolgten. Dies sind allesamt Forderungen, die voraussichtlich auch dieses Jahr wieder mit Nachdruck an den EU-Staat Polen gestellt werden, damit die polnischen CSDs irgendwann einmal genauso selbstverständlich gefeiert werden wie die deutschen.
von Rupert Haag
Der komplette Bericht kann im Internet nachgelesen werden unter: