UA-Nummer: UA-110/2020
AI Index: MDE 23/2641/2020
Sachlage
Am 8. April 2020 nahmen saudische Sicherheitskräfte den jemenitischen Staatsangehörigen Mohamed al-Bokari bei ihm zuhause in al-Yarmouk in der Hauptstadt Riad willkürlich fest. Mohamed al-Bokari wurde dann in das Malaz-Gefängnis in Riad gebracht und wird bis jetzt dort festgehalten. Er ist bislang weder angeklagt noch darüber informiert worden, wann sein Strafverfahren beginnen soll. Laut einer ihm nahestehenden Quelle hat sich sein psychischer und physischer Zustand erheblich verschlechtert. Er leidet an einer Herzkrankheit. Eine rechtliche Vertretung hat er bis jetzt nicht.
Nach Angaben der Quelle wurde Mohamed al-Bokari einen Monat lang ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten und während dieser Zeit geschlagen und gefoltert, um ihn dazu zu bringen, zu "gestehen", dass er homosexuell ist. Darüber hinaus wurde er nach seiner Festnahme der "Perversion", der Imitation von Frauen" und der "Störung der öffentlichen Ordnung" beschuldigt. Mohamed al-Bokari wurde festgenommen, nachdem er in einem selbstgemachten Video auf eine Frage zu seinen Ansichten über Homosexualität sagte: "Jede Person ist frei zu tun und zu lassen, was sie will und Gays haben Rechte. Jeder Mensch hat Rechte. Ich hoffe, homosexuelle Menschen werden in Ruhe gelassen und man wird sich nicht in ihr Leben einmischen. Jeder Mensch ist frei."
Zwei Freunde von Mohamed al-Bokari, beide ebenfalls Jemeniten, die bei ihm zu Besuch waren, wurden mit ihm zusammen festgenommen. Die beiden wurden später freigelassen und in den Jemen abgeschoben, doch Mohamed al-Bokari kam nicht frei. "Wir sind in großer Sorge um Mohamed. Er darf im Gefängnis keinen Besuch erhalten und hat sich seit zwei Wochen nicht bei uns gemeldet", sagte die Quelle Amnesty International.
Hintergrundinformation
Die saudischen Behörden eskalieren die Unterdrückung der Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit immer weiter – auch im Internet. Sie gehen mit Schikanen, willkürlicher Inhaftierung und Strafverfolgung gegen Regierungskritiker_innen, Menschenrechtsverteidiger_innen und andere Personen vor, die es wagen, sich frei zu äußern.
Im November 2019 veröffentlichte der saudische Sicherheitsdienst eine offizielle Stellungnahme und ein Werbevideo, in dem es hieß, dass Feminismus, Homosexualität und Atheismus "extremistisches Gedankengut" seien und mit Gefängnisstrafen und Prügelstrafen verfolgt würden. Der Sicherheitsdienst veröffentlichte später eine Richtigstellung, dass die Definition von Extremismus in dem Video "viele Fehler enthalten" habe, doch führende Feminist_innen und Frauenrechtler_innen im Land befinden sich nach wie vor in Haft und werden aufgrund ihrer Menschenrechtsarbeit strafrechtlich verfolgt.
Vor der Festnahme war Mohamed al-Bokaris Aufenthaltserlaubnis in Saudi-Arabien abgelaufen. Jetzt droht im die Abschiebung in sein Heimatland, den Jemen, aus dem er geflohen war, nachdem er Morddrohungen von bewaffneten Gruppen erhalten hatte, weil er die persönlichen Freiheiten und die Menschenrechte verteidigt hatte. Mohamed al-Bokari überlebte außerdem einen Entführungsversuch. Danach verließ er den Jemen und suchte Schutz in Saudi-Arabien.