Worin besteht die Arbeit von Arus Pelangi, der NGO, für die Du neben Deinen vielen anderen Tätigkeiten aktiv bist?
Unser Hauptanliegen ist es, gegen Diskriminierungen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender durch Gesetze zu kämpfen. Es existiert zwar kein Verbot von Homosexualität auf nationaler Ebene, allerdings gibt es in einzelnen Regionen Bestrebungen, die Scharia anzuwenden. Und für queere Menschen in Indonesien wäre es natürlich fatal, wenn die Scharia in einzelnen Provinzen oder gar landesweit rechtskräftig würde. Wir wenden uns außerdem gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund von sexueller Orientierung oder Gender-Identität. Transgender können in Indonesien meist keinen ‚normalen’ Beruf ausüben. Ihnen bleibt nur die Möglichkeit, in Nischen zu arbeiten: in Schönheitssalons, als Prostituierte oder bei wenigen NGOs. Um solche Benachteiligungen zu verhindern und zu thematisieren, betreiben wir Lobbyarbeit – bei Parteien und Parlamenten. Wir gehen an die Öffentlichkeit, etwa durch Fernsehspots und Werbekampagnen.
Apropos Gesetzesdiskriminierungen: Seit einiger Zeit schlummert ja auch ein Entwurf für ein Anti-Pornographie-Gesetz in Regierungsschubladen…
Ja, wir engagieren uns dafür, dass der Gesetzesplan nicht verwirklicht wird – zum Beispiel indem wir letztes Jahr GegnerInnen zu einem Marsch mobilisiert haben. Der Gesetzesplan hat einen sehr weit gefassten und schwammigen Begriff von Pornographie und würde bei seiner Verwirklichung einer willkürlichen Kriminalisierung von LGBT die Türen öffnen.
Wäre das Q-Filmfestival von dem Anti-Pornographie-Gesetz bedroht?
Konservative Kräfte führen verschiedene Ursachen für ihr Anliegen an, ‚Pornographie’ zu verbieten – das Q-Filmfestivals findet hier, zumindest offiziell, keine Erwähnung. In der Öffentlichkeit geht eher um populäre Sängerinnen, die sich durch Kleidung und Tanz sexy geben – aber natürlich nicht wirklich ‚Porno’ sind. Deshalb versuchen wir, klar zu machen, was Pornographie ist. Für manche konservative Kräfte fängt das ja schon beim Minirock an.
Und wie ist es um Darstellungen von Männern bestellt?
Das Anti-Pornographie-Gesetz würde erstmal vor allem Frauen betreffen. Männern wird da generell mehr Freiheit eingeräumt, allerdings nicht unbedingt, wenn es um Homosexualität geht. Die Erwähnung von gleichgeschlechtlichem Sex gilt pauschal als ‚Porno’.
Wie wahrscheinlich ist es, dass das Anti-Pornographie-Gesetz in Kraft tritt?
Schwer zu sagen. Gerade scheint jeder abzuwarten und Ausschau zu halten, wie es wohl weiter geht… Wenn das Parlament das Gesetz verabschieden würde, würde das sicherlich zu erheblichen Protesten führen. Nicht nur zu Protesten in Indonesien, sondern auch im Ausland. Menschenrechtsorganisationen und queere Gruppen schließen verstärkt internationale Netzwerke. Auf der anderen Seite muss man leider auch feststellen, dass die Mehrheit der Bevölkerung das Gesetzesvorhaben gut heißt. Die meisten IndonesierInnen sind eher konservativ als open minded und relativ ungebildet. Sicherlich spielt es auch eine Rolle, dass mehr als 85 Prozent der Bevölkerung Muslime sind. Viele Passagen des Gesetzentwurfes berufen sich auf den Islam. Immerhin stößt das Anti-Pornographie-Gesetz bei eher intellektuellen Gesellschaftsschichten auf Ablehnung – oder zumindest sind diese dazu bereit, darüber zu diskutieren.
Gibt es Deinem Eindruck nach generell ein Toleranzgefälle zwischen eher intellektuellen und eher ungebildeten Bevölkerungsgruppen, was Homo- und Transphobie betrifft?
Es wäre vereinfachend zu sagen, dass allein der Bildungsgrad oder die Religion dafür ausschlaggebend ist, wie jemand sexuellen Minderheiten gegenüber steht. Da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. In einem liberalen atheistischen Umfeld mag es etwa vollkommen okay sein, sich als schwul oder lesbisch zu outen, in einer konservativen Familie ist das schwieriger. Entsprechend sind auch die Verhaltensweisen von Lesben, Schwulen und Transgender von Milieu zu Milieu unterschiedlich. Oft herrscht ja unter queeren Menschen selbst eine verinnerlichte Homophobie vor.
Was meinst Du mit ‚verinnerlichter Homophobie’?
Damit meine ich, dass viele Lesben, Schwule und Transgender in Indonesien es nicht schaffen, sich selbst zu akzeptieren. Sie werden also nicht nur von außen diskriminiert, sondern befinden sich oft auch in einem Kampf mit sich selbst. Bin ich queer oder nicht? Was sagt meine Familie dazu? Bleibe ich in meinem Versteck oder unterstütze ich LGBT-Organisationen? Gay sein ist in Indonesien okay, solange man es nicht zeigt und nicht darüber spricht.
In welchem Maße ist das Q-Filmfestival Zensur ausgesetzt?
Als das Q-Filmfestival größer wurde und wir vergangenes Jahr in ein Multiplex-Kino in Jakarta umzogen, fing die Zensurbehörde auf einmal an, sich auch für unser Festival zu interessieren. Auf ihre Frage haben wir eine clevere Antwort gefunden: Der Besuch des Festivals ist kostenlos und Zuschauer gelten als Mitglieder – so können wir eine Vorlage der Filme bei der Zensur umgehen. Zum Glück unterstützt uns das Ministerium für Kultur und Tourismus. Ein klein wenig müssen wir selbst Zensur betreiben, wenn es um Berichterstattung über das Q-Filmfestival geht. Für viele Menschen ist es schon ein großer Schritt, überhaupt eine queere Veranstaltung zu besuchen und wir müssen unsere Zuschauer vor Bloßstellungen in den Medien schützen.
Könnten queere Filme, die Euer Festival zeigt, auch einen regulären Weg in die indonesischen Kinos finden?
Das hängt sicherlich vom jeweiligen Film ab. Manche würden die Zensur passieren, andere nicht. Immerhin liefen in letzter Zeit „Brokeback Mountain“ und „The Last Second“ – letzteres ein Film mit lesbischer Thematik – im Kino, wenn auch mit geringem Erfolg.
John, ich wünsche Eurem Festival für die Zukunft großen Erfolg und danke Dir herzlich für das Gespräch.
Das Inteview führte Florian Krauß
Weitere Infos zum Q-Filmfestival unter www.qfilmfest.org
Zum Thema Indonesien siehe auch „Versteckt: Lesben in Indonesien“ im Rundbrief 39/Dezember 2007 sowie das Gespräch mit den Aktivistinnen Kamilia und Imelda im amnesty journal 1/2008