UA-Nummer
UA-023/2022
AI Index
AMR 34/5334/2022
Sachlage
Der Gesetzentwurf 5272, der am 8. März 2022 durch den Kongress von Guatemala unter dem Namen Erlass 18-2022 verabschiedet wurde, ist besorgniserregend. Er diskriminiert LGBTIQ+, da darin ausdrücklich die gleichgeschlechtliche Ehe, sowie Unterricht über sexuelle Diversität an öffentlichen Schulen verboten wird. Dies widerspricht internationalen Menschenrechtsstandards, die Guatemala dazu verpflichten, keinen Menschen zu diskriminieren. Vor dem Hintergrund anhaltender Gewalt gegen Angehörige der LGBTIQ-Community trägt dieses Gesetz zu einer weiteren Normalisierung der ohnehin bestehenden Stigmatisierung und Diskriminierung dieser Gruppe bei. Das hat zur Folge, dass das Leben von Tausenden von Menschen dadurch bedroht wird. Zusätzlich würde es das Recht von Kindern und Jugendlichen verletzen, eine umfassende Sexualaufklärung zu erhalten.
Außerdem würde die Kriminalisierung von Fehlgeburten und die schärferen Strafen und Sanktionen für Frauen und medizinisches Fachpersonal im Fall von Schwangerschaftsabbrüchen das Leben von Frauen und Mädchen in Gefahr bringen. Es hätte so auch ernstzunehmende Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung, welche ohnehin schon durch die Coronapandemie stark beeinträchtigt ist. Der Kongress von Guatemala muss davon absehen, Gesetze zu unterstützen, die Hassrede, Vorurteile, Diskriminierung und Gewalt schüren. Stattdessen muss der Kongress die Verpflichtung wahrnehmen, allen guatemaltekischen Bürger_innen das Recht zu gewähren, nicht diskriminiert zu werden, wie z.B. aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität. Außerdem muss das Recht aller Menschen auf sexuelle und reproduktive Gesundheit, sowie Selbstbestimmung bei Entscheidungen, die den eigenen Körper betreffen, garantiert werden.
Hintergrundinformation
Laut der Nationalen Beobachtungsstelle für LGBTIQ-Rechte wurden im vergangenen Jahr in Guatemala 32 LGBTIQ+ aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität getötet. Im Jahr 2022 ist bisher über neun weitere Morde berichtet worden. Guatemala hat außerdem eine besorgniserregende Schwangerschaftsrate von Mädchen und Jugendlichen. Laut der Nationalen Beobachtungsstelle für Sexuelle und Reproduktive Gesundheit haben allein im letzten Jahr 2041 Mädchen, die entweder erst vierzehn Jahre alt oder jünger waren, entbunden. Insgesamt wurden allein im Jahr 2021 insgesamt 65.000 Schwangerschaften bei Mädchen und Jugendlichen zwischen zehn und neunzehn Jahren gemeldet.
Dem Kongress von Guatemala liegt der Gesetzentwurf 5272 seit 2017 vor. Das Gesetz wurde nun unter dem Namen Erlass 18-2022 nach mehreren Runden der Überprüfung am 8. März 2022, dem Internationalen Frauentag, von einer Mehrheit von 101 zu 8 Stimmen verabschiedet. Am 10. März 2022 prangerte der guatemaltekische Präsident Alejandro Giammattei öffentlich an, dass der Erlass 18-2022 die Verfassung sowie die internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen von Guatemala verletzt. Deshalb kündigte er an, sein Veto gegen den Erlass einzulegen, und damit den Kongress dazu aufzufordern, den Gesetzentwurf fallenzulassen. Nichtsdestotrotz könnte der Kongress weiterhin versuchen, den Gesetzentwurf zu verabschieden. Dies könnte er auch mit Gesetzentwurf 5940, der transgeschlechtliche Menschen diskriminiert, tun.
Eingesetzte Kongresskommissionen äußerten sich im Jahr 2021 positiv dazu, Gesetzentwurf 5490 in der Plenarversammlung zu diskutieren. Der Gesetzentwurf sieht Transkinder als eine "Bedrohung" an, institutionalisiert das Stigma und den gesellschaftlichen Hass gegenüber der Transbevölkerung und verbietet Unterrichtsmaterial zu Transidentitäten und Schwangerschaftsabbrüchen im öffentlichen Bildungswesen. Diese Empfehlung zur Diskussion bringt den Gesetzentwurf der Verabschiedung einen guten Schritt näher. Doch eine Verabschiedung würde dazu beitragen, dass Vorurteile und Hassrede fortgesetzt werden, was zu einem erhöhten Gewaltrisiko führen würde.
Als Unterzeichnerin der entsprechenden internationalen Verträge ist die Regierung Guatemalas dazu verpflichtet, die Rechte ihrer Bevölkerung ohne Diskriminierung zu gewährleisten, dazu zählt auch die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität. In seinen jüngsten Beobachtungen der guatemaltekischen Regierung drückt der UN-Menschenrechtsausschuss seine Sorge über die Diskriminierung und Gewalt aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität der Opfer aus sowie über die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und Fehlgeburten und den Mangel an angemessenen reproduktiven Gesundheitsleistungen. Er fordert die guatemaltekische Regierung auf, "den ungehinderten Zugang zu sexuellen und reproduktiven Gesundheitsleistungen, Notfallverhütungsmitteln und einer umfassenden Sexualerziehung zu gewährleisten". Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes empfahl seinerseits ausdrücklich, die guatemaltekische Regierung solle "gewährleisten, dass die sexuelle und reproduktive Gesundheiterziehung Teil des schulischen Lehrplans sind und sie unter Einbeziehung von heranwachsenden Mädchen und Jungen entwickelt wird und besonderes Augenmerk auf die Verhütung früher Schwangerschaften und sexuell übertragbarer Krankheiten legt".
Indem die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen nun auch spontane Schwangerschaftsabbrüche beinhaltet, und die Sanktionen und Strafen gegen Frauen und medizinisches Fachpersonal erhöht wurden, verletzt Erlass 18-2022 die Rechte von Frauen, Mädchen, und allen weiteren Menschen, die schwanger werden können. Angehörige der LGBTIQ-Community werden auch direkt durch den Erlass 18-2022 diskriminiert, indem ausdrücklich Eheschließungen und die Anerkennung von eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften verboten werden. Die gleichgeschlechtliche Ehe wird gemäß guatemaltekischem Recht nicht anerkannt, und Amnesty International ist der Ansicht, dass es gefährlich ist, ein solches Verbot gesetzlich zu verankern, da es Diskriminierung und Stigmatisierung schürt. In dem Erlass wird zudem eine ausschließende und diskriminierende Definition der Familie vorgeschlagen. Außerdem wird darin ein sogenanntes "Recht" formuliert, laut dem man "sexuelle Diversität und Gender-Ideologien nicht als normal akzeptieren muss". Somit wird faktisch diskriminierendes Verhalten legalisiert, das Gewalt gegen LGBTIQ+ begünstigen würde. Zusätzlich verletzt dieser Gesetzentwurf das Recht von Jungen und Mädchen, Zugang zu umfassender Sexualaufklärung zu erhalten, da es verbietet im Unterricht "Sexualverhalten, welches von der Heterosexualität abweicht, als normal zu behandeln".