Wanda Jean Allen soll nach wie vor am Abend des 11. Januar 2001 hingerichtet werden, nachdem der Begnadigungsausschuss des US-Bundesstaates Oklahoma ihr Gnadengesuch abgelehnt hat. Sie war 1989 für schuldig befunden worden, ihre Lebensgefährtin Gloria Leathers im Jahr davor in Oklahoma ermordet zu haben.
Die Anhörung zum Gnadengesuch von Wanda Jean Allen fand am 15. Dezember 2000 statt. Nachdem der Begnadigungsausschuss ihr Gnadengesuch abgelehnt hatte, legten die Rechtsanwälte von Wanda Jean Allen Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ein und forderten die Gerichte auf, die Hinrichtung zu stoppen. In ihrer Begründung brachten die Anwälte vor, dass Wanda Jean Allen keine faire Anhörung vor dem Begnadigungsausschuss gewährt worden sei.
Dem Begnadigungsausschuss wurden Beweise für die geistige Behinderung von Wanda Jean Allen vorgelegt. Diese Beweise waren während des Gerichtsverfahrens aufgrund fehlender finanzieller Mittel und ungenügender Fachkenntnis des Verteidigers nicht präsentiert worden. Ein Vertreter der Anklagebehörde antwortete auf die während der Begnadigungsanhörung vorgelegten Beweise mit der Erklärung, dass Wanda Jean Allen nicht geistig behindert sei und dass sie einen Schulabschluss hat und auch eine weiterführenden Schule abgeschlossen habe. Ihre Anwälte brachten daraufhin vor, dass sie Unterlagen besäßen, in denen belegt werde, dass diese Angaben falsch seien und die Anklagebehörde über die schulischen Leistungen von Wanda Jean Allen gelogen habe, um sicherzustellen, dass der Begnadigungsausschuss sich nicht von den Beweisen über die geistige Behinderung der Verurteilten beeinflussen lasse.
Laut seiner eidesstattlichen Erklärung von 1991 hat Wanda Jean Allens Verteidiger erst nach dem Prozess davon erfahren, dass man bei seiner Mandantin im Alter von 15 Jahren einen Intelligenzquotienten (IQ) von 69 festgestellt hatte und dass der sie damals untersuchende Arzt eine neurologische Untersuchung der bei ihr festgestellten Symptome eines Hirnschadens empfohlen hatte. In den Ausführungen des Rechtsanwalts heißt es: „Ich habe weder medizinische oder psychologische Befunde geprüft, noch Spezialisten zu Rate gezogen“.
Ein Psychologe, der Wanda Jean Allen 1995 umfassend untersucht hat, stellte bei ihr “eindeutige Anzeichen für kognitive und sensomotorische Defizite sowie eine Fehlfunktion des Gehirns” fest. Im Alter von zwölf Jahren war Wanda Jean Allen von einem Lastwagen angefahren worden, und mit 14 oder 15 Jahren hatte sie eine Stichwunde an der linken Schläfe erlitten. Der Psychologe diagnostizierte eine “merkliche Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten“ und bescheinigte ihr einen IQ von 80. Des Weiteren stellte er „besonders schwere Fehlfunktionen der linken Hirnhälfte“ fest, „die ihre Auffassungsgabe sowie ihre Fähigkeit, sich logisch auszudrücken und Beziehungen von Ursache und Wirkung zu analysieren, beeinträchtigen“. Der Gutachter kam zu dem Schluss, dass Wanda Jean Allen „in höherem Maße als andere Personen chronisch anfällig ist, bei Stressituationen den Überblick oder gar die Kontrolle über sich zu verlieren“.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
amnesty international hat immer wieder die Verfahren zur Prüfung von Gnadengesuchen im US-Bundesstaat Oklahoma kritisiert. Der Begnadigungsausschuss hat sich bislang in keinem Fall für eine Begnadigung ausgesprochen, obwohl ihm unter anderem Beweise für die geistige Behinderung von Verurteilten, ungenügende Verteidigung der Angeklagten im Gerichtsverfahren, Willkürentscheidungen und Verstöße gegen internationale Abkommen vorgelegt worden waren. Anzeichen deuten darauf hin, dass die Mitglieder des Begnadigungsausschusses erst dann bereit sind, einem Gnadengesuch stattzugeben, wenn ihnen ein mutmaßlicher Fall eines Justizirrtums vorgelegt wird, bei dem Beweise über die mögliche Unschuld eines zum Tode Verurteilten vorgetragen werden. Es ist jedoch die Aufgabe des Begnadigungsausschusses bei ihren Entscheidungen auch die Fairness des Gerichtsverfahrens, die Schuldfähigkeit des Angeklagten und internationale Rechtsnormen einzubeziehen.
EMPFOHLENE AKTIONEN:
Schreiben Sie bitte Telefaxe oder E-Mails, in denen Sie
- Ihr Mitgefühl mit den Freunden und Angehörigen von Gloria Leathers zum Ausdruck bringen und darlegen, dass Sie sich der Schwere des Wanda Jean Allen zur Last gelegten Verbrechens bewusst sind;
- sich angesichts der Berichte besorgt zeigen, denen zufolge die Staatsanwaltschaft während der Anhörung zum Gnadengesuch von Wanda Jean Allen falsche Beweise vorgelegt hat, um die Beweise über die geistige Behinderung der Verurteilten zu widerlegen;
- beanstanden, dass Wanda Jean Allen von einer Jury zum Tode verurteilt wurde, die nicht über die möglicherweise mildernden Umstände ihrer geistigen Behinderung und die damit verbundenen Fragen ihrer Schuldfähigkeit informiert worden war;
- darauf hinweisen, dass die Verhängung der Todesstrafe gegen geistig behinderte Menschen, die zudem nicht ausreichend vor Gericht vertreten wurden, gegen internationale Rechtsnormen verstößt;
- den Gouverneur auffordern, einen 60-tägigen Hinrichtungsaufschub zu verfügen, damit der Begnadigungsausschuss erneut zusammentreten kann, um den noch offenen Fragen in einer fairen Anhörung Rechnung zu tragen.
APPELLE AN:
Governor Frank Keating, Capitol Building, Oklahoma City, OK 73105, USA
(Gouverneur von Oklahoma – korrekte Anrede: Dear Governor)
Telefax: 001 405 521 3353
E-Mail: governor@gov.state.ok.us
KOPIEN AN:
Kanzlei der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika
Neustädtische Kirchstr. 4-5, 10117 Berlin
Telefax: (030) 238 62 90
(S.E. Herrn John Christian Kornblum)
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch.